Tiere bewirken Emotionen und ermöglichen Berührungen, sowohl physisch als auch im psychischen Sinne. Wie wertvoll solche Berührungen sind, zeigte sich kürzlich bei einem Ausflug von vier Bewohner*innen des Caritas-Seniorenwohnhauses Karl Borromäus zum Integrativen Reitzentrum St. Isidor der Caritas.
Vier Bewohner*innen meldeten sich sofort, als es im Caritas-Seniorenwohnhaus unlängst hieß, dass es einen Ausflug zu Pferden geben werde. Johann Hetzmannseder hatte früher in seiner Heimatgemeinde Helfenberg viel mit Pferden zu tun. Er striegelte und versorgte sie. „Geritten bin ich aber nie“, verrät der 86 Jährige. Ebenfalls geübt im Umgang mit Pferden ist die 81 jährige Anna Gratzl, die im Mühlviertel aufgewachsen ist, ehe sie nach der Heirat in den 70iger nach Linz zog. Aber auch sie saß nie auf einem Pferd. „Als wir aus dem Sudetenland fliehen mussten, hat unser Esel unser Hab und Gut getragen“, erzählt die 88 jährige Rosa Sickinger, die mit 11 Jahren aus dem heutigen Tschechien über Bayern nach Linz flüchten musste. Keine spezielle Erfahrung mit Pferden hingegen hat die 85 jährige Kreszenz Hofbauer, die ihre Kindheit in Frankenburg verbracht hat. Doch auch sie mag Tiere, und so freute sie sich sehr auf den Ausflug ins Caritas-Reitzentrum St. Isidor.
Die beiden Reitpädagoginnen Christina Pernecker und Corinne Cazes erwarteten die Senior*innen und ihre Begleiter*innen – Caritas Mitarbeiter*innen Claudia Freudenthaler, Claudia Riener, Roland Kapl und Christoph Froschauer. Pünktlich zur Ankunft hat der Regen aufgehört, so dass alle trocken in den Reitstall gelangten. Auf Rollatoren bzw. einen Stock gestützt gingen die Ausflügler durch die erste Stallgasse. „Da hat ja jedes Pferd eine eigene Box“, stellte Rosa Sickinger erstaunt fest. „Und aus dem Fenster können die Pferdchen auf die Koppel blicken!“
Üblicherweise sind es Kinder im Alter zwischen 4 und 18, welche das Angebot des Integrativen Reitzentrums St. Isidor in Anspruch nehmen. Doch auch Senior*innen können das Angebot nutzen. „Die Begegnung mit den Pferden schult zum einen die Wahrnehmung und stärkt zum anderen das Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen“, erklärt Christina Pernecker, die seit 4 Jahren im Caritas-Reitzentrum arbeitet. „Und natürlich werden Erinnerungen an Pferdeerlebnisse von früher geweckt. Das ist immer besonders schön.“ „Pferde sind sehr feinfühlige Lebewesen“, ergänzt ihre Kollegin Corinne Cazes, die seit zwei Jahren hier arbeitet. „Sie spüren, wie sich ein Mensch fühlt. Ist jemand angespannt, so schaffen sie es meist durch ihr Verhalten, dass sich die Leute rasch entspannen.“
Natürlich sind die Pferde im Reitzentrum St. Isidor speziell für ihre Aufgabe geschult. Momentan stehen 10 Pferde und Esel Fridolin dem Therapeutenteam zur Verfügung. Die Pferde kommen meist im Alter von mind. 6-7 Jahren nach St. Isidor. Sie müssen bereits eine gute Grundausbildung mitbringen, beritten sein und sie müssen einen sehr ausgeglichenen Charakter haben. „Dann werden sie bei uns nochmals speziell geschult. Das bedeutet, dass wir sie auf Reize, denen sie in der Therapie ausgesetzt sind, desensibilisieren.“
Zwei Profis, die diese Ausbildungsphase schon längst hinter sich haben, sind die Stuten Lissi und Farbenfroh. Die weiße Lissi – ein Kupferschimmel, wie Johann Hetzmannseder selbstbewusst hinzufügte – hat es sofort Anna Gratzl angetan. Sie streichelte und liebkoste die Stute. „Du bist eine Hübsche, und so weich“, flüstert sie. Als sie eine Bürste bekam, war sie nicht mehr zu halten. Von Kopf bis Fuß striegelte die 81-Jährige die Schimmelstute, bis diese glänzte. „Was macht man nach dem Striegeln?“ fragte Corinne Cazes die Seniorin und deutete auf die Hufe. „Hufe auskratzen“, war die prompte Antwort – und begeistert machte sie sich an die Arbeit.
Währenddessen holte Christina Pernecker eine andere Stute aus dem Stall. „Wie heißt dieses Pferd“, fragte Rosa Sickinger. „Farbenfroh“, antwortete die Caritas-Mitarbeiterin. „Na, das passt ja. Sie hat wirklich viele Farben“, lacht die 88-Jährige.
Auch Farbenfroh ließ sich geduldig von den Senior*innen streicheln, striegeln und liebkosen. Schließlich ging es ab in die Reithalle. Hier war ein kleiner Parcours aufgebaut. Ein Sessel wurde für Kreszenz Hofbauer gebracht. Dann durften alle Senior*innen der Reihe nach mit Lizzi und Farbenfroh durch die Reithalle spazieren. Den Führstrick in der einen Hand, den Stock in der anderen, machte sich Rosa Sickinger auf den Weg. Flotten Schrittes spazierte die 88 Jährige fröhlich durch die Bahn zu einem bunten Würfel. Sie würfelte grün, woraufhin sie ein grünes Tuch aus einem Behälter nahm und dieses Farbenfroh in die Mähne band. „Tue ich Farbenfroh eh nicht weh?“, fragte sie besorgt. „Nein, ein Zopf in der Mähne ist für Pferde wie für uns ein Haargummi – das schmerzt das Pferd nicht“, beruhigte Christina Pernecker die ältere Dame. Währenddessen spazierte Anna Gratzl mit ihrem erklärten Lieblingspferd Lizzi durch die Slalomstangen. „Achtung – ich bin auch noch da“, rief Corinne Cazes, als Anna Gratzl die Kurve mit ihrer Lizzi zu eng nehmen wollte. „Ach ja, das geht schon“, war die 81 Jährige überzeugt.
Johann Hetzmannseder ist normalerweise mit seinem Rollator unterwegs. Damit auch er Farbenfroh führen konnte, ließ er den Rollator stehen und hängte sich bei der Caritas-Mitarbeiterin ein. So ging auch er mit Farbenfroh eine Runde durch die Reithalle.
Kreszenz Hofbauer traute sich die Runde ohne Rollator nicht zu. Deshalb führe Christina Pernecker Lizzi eng an den Sessel heran, so dass die 85-Jährige die Stute streicheln konnte. Ihr Gesicht entspannte sich und ein Lachen kam über ihre Lippen, als Lizzi ihren Kopf über ihre Schulter legte. Zum Abschluss wurden noch Erinnerungsfotos gemacht, wo Anna Gratzl kaum ihren Blick von Lizzi abwenden konnte. Glücklich und zufrieden brachten die Senior*innen mit dem Caritasteam die Stuten wieder in den Stall. Wenig verwunderlich, dass Anna Gratzl ihre Lizzi zurückbrachte, während Rosa Sickinger Farbenfroh durch die Stallgasse führte. Zum Abschluss durften alle noch die mitgebrachten Karotten an die Pferde verfüttern. Die Pferde hatten wirklich tolle Arbeit geleistet.
Auf dem Weg zum Auto schwärmten die Senior*innen. „Mei, war das schön“, kam immer wieder über die Lippen von Anna Gratzl. „Wie toll Du mit den Pferden kannst, Anni“, bewunderte Rosa Sickinger Anna Gratzl’s selbstverständlichen Umgang mit den großen Tieren. „Es war aber wirklich wunderschön. Das Bürsten und das Wandern mit den Pferden!“
Mit diesen Erinnerungen kamen die vier Senior*innen schließlich wieder zurück ins Seniorenwohnhaus Karl Borromäus und freuten sich darauf, in den Wohnbereichen von ihren Pferdeerlebnissen zu erzählen.