Unsere Fachkräfte geben Einblick in den extrem fordernden Berufsalltag und machen deutlich, dass es höchste Zeit für die Umsetzung der Pflegereform ist. Caritasdirektor und Betriebsrat fordern Gleichstellung der Langzeit- mit der Akutpflege, einen besseren Personalschlüssel und die Abschaffung der Deckelung in der mobilen Pflege.
Barbara Slamanig (46), Elvira Salihovič (40) und Karin Ogris (48) sind mit Leib und Seele Pflegeassistentinnen. Sie lieben ihren abwechslungsreichen und krisensicheren Job. „Er hat viele schöne Seiten. Wir betreuen und pflegen gerne kranke und alte Menschen. Es ist schön, wenn man zur Arbeit kommt und sich die Bewohnerinnen und Bewohner freuen. Man bekommt von ihnen und von den Angehörigen viel Dankbarkeit. Das stärkt, wenn man wegen der Arbeitslast völlig verzweifelt ist“, sagen die Frauen nach eineinhalb Jahren Pandemie. Diese hat die Situation noch einmal verschärft, war extrem herausfordernd. „Wir schuften und sind am Limit. Ich spüre es schon körperlich. Und trotzdem habe ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich selbst einmal krank bin und nicht für andere einspringen kann“, sagt Slamanig. Zwei Fachkräfte sind für 15 bis 19 Bewohner*innen da, das Einhalten der Pausen gestalte sich damit schwierig. „Viele Bewohner*innen sind dement, sturzgefährdet und haben eine Weglauftendenz. Da musst du mit deinen Augen und Ohren ständig überall sein“, so Ogris.
Dynamitfass drohe hochzugehen
Die drei Frauen haben sich erst vor ihrem 40. Geburtstag für die Ausbildung in der Pflege entschieden. Ogris war zuvor 20 Jahre im Handel beschäftigt. „Ich war unzufrieden und unglücklich“, erinnert sie sich. Für die Bewohnerinnen und Bewohner ist sie „vom ersten Tag an wahnsinnig gerne da“, wenngleich sie meint, „dass ich nach ein paar Stunden Arbeit so erschöpft bin, dass ich mich frage, wie ich den Tag zu Ende bringe“. Wie ihr geht es den meisten Pflegefachkräften im Land. Ogris: „Wir rufen und kämpfen seit zehn Jahren für eine Verbesserung des Personalschlüssels.“ Doch der sei trotz immer komplexer gewordenen Krankheitsbildern, verstärkter Multimorbidität von Menschen und Zunahme von Demenz und psychiatrischen Erkrankungen sowie aufwändiger gewordener Dokumentation gleichgeblieben. Ogris fühlt sich wie ihre Kolleginnen von der Politik im Stich gelassen: „Es gibt keinen Nachwuchs. Die jungen Kolleg*innen bleiben nicht. Sie sehen Stress und Mangel. Und unsere Generation geht nach der Reihe in die Knie. Wir sitzen auf einem Dynamitfass, das hochgehen wird, wenn sich nichts ändert.“
Personalengpass wirksam bekämpfen
Caritasdirektor Ernst Sandriesser fordert gemeinsam mit den Bereichsleiterinnen Donata Rössler-Merlin (Stationäre Betreuung und Pflege) und Eva Maria Wernig (Mobile Betreuung und Pflege) sowie den Betriebsräten Branko Jeremić (stationäre Pflege) und Nicole Trojar (mobiler Dienst) die Umsetzung der Pflegereform. Sandriesser: „Es ist fünf Minuten nach Zwölf! Die Pflegekräfte, die im normalen Arbeitsalltag schon enorm viel leisten müssen, wurden durch die Pandemie noch einmal voll gefordert. Unsere Mitarbeiter*innen geben ihr Bestes und vollbringen Höchstleistungen. Viele ziehen aber die Notbremse und hören auf. Wenn die Politik nichts ändert, werden noch mehr Mitarbeiter*innen in der Pflege das Handtuch werfen und der akute Personalengpass wird noch schlimmer. Die bisherigen Maßnahmen des Landes Kärnten, wie die Einführung von community nurse etc., sind gut und wichtig, aber reichen bei Weitem nicht aus.“ Derzeit kann die Caritas Kärnten in ihren zehn Pflegewohnhäusern aktuell 16 offene Stellen nicht besetzen. Auch in der mobilen Pflege werden Mitarbeiter*innen gesucht.
Mehr Erholungszeit
Dass die Lösung des Pflegekräftemangels keinen Aufschub mehr duldet, unterstreichen auch die Betriebsräte Jeremić (Stationäre Betreuung und Pflege) und Trojar. „Die Mitarbeiter*innen vollbringen großartige Leistungen. Der jetzige Pflegeschlüssel muss aufgrund des Personalengpasses dringend geändert werden. Die Krankenstände häufen sich. Viele Mitarbeiter*innen können einfach nicht mehr“, ist Jeremić alarmiert und fordert, dass bei allem Zahlen-Daten- und-Faktendenken auf die Menschlichkeit nicht vergessen werde. Und Trojar sagt seitens des Betriebsrates für mobile Dienste: „Wir brauchen unbedingt mehr qualifiziertes Personal; einerseits, damit sich die Mehr- beziehungsweise Überstunden der Mitarbeiter*innen reduzieren und sie mehr Erholungs- und Freizeit haben und andererseits, um offene Stellen nachbesetzen zu können.“ Vor diesem Hintergrund und angesichts vieler Schulabbrecher*innen fordert Trojar auch die Bezahlung der Pflege-Ausbildung durch die öffentliche Hand.