Matthias ist 28 Jahre alt, arbeitet im Haus St. Elisabeth als Sozialbegleiter und ist Rollstuhlfahrer. Zunächst hat er hier ein Volontariat absolviert und ist nun ein fester Mitarbeiter. Victoria Doppler, Ability Management im Bereich Pflege, unterstützt und begleitet dabei. Ein Gespräch darüber, was sich mit Mut und Herz bewegen lässt.
Matthias, du bist Sozialbegleiter im Haus St. Elisabeth. Wie sieht Dein Arbeitsalltag aus?
„Ich hab’ immer einen Block dabei. Da schreibe ich mir auf, was ich heute mache. Ich arbeite hier in der Sozialbegleitung. Ich bin für die Leute da, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen.
In der Früh bekomme ich eine Liste von BewohnerInnen, da gehe ich dann in die Wohngruppen und suche die Leute, die Unterhaltung brauchen der frage wer mich grad braucht.
Wir sind sechs KollegInnen in der Sozialbegleitung. Ich arbeite also immer nach Plan. Wenn in einem Gruppenraum eine Aktivität ist, z.B. singen, dann richte ich den Raum her, bereite Materialien vor, stelle Sessel auf. Ich helfe wo ich kann.
Ich bin auch oft bei den Bewohnern im Wintergarten, da habe ich mich während des Praktikums schon oft aufgehalten. Es ist leichter, dort mit den Leuten in Kontakt zu treten. Ich frage sie dann ob sie etwas trinken möchten oder wie das Wetter heute ist."
Wie lange arbeitest Du schon hier? Wie bist Du zur Caritas gekommen?
"Ich bin seit 3. Dezember 2015 im Haus. Früher habe ich in einer Tagesstruktur bei einer Beschäftigungstherapie gearbeitet. Aber ich wollte mehr machen. Ich habe dann mit dem ECDL begonnen, aber bald gemerkt, dass das sehr schwer ist. Ich hab‘ mich dann gefragt: Liegt mir das eigentlich, das Arbeiten am PC? Und die Antwort war nein.
Danach habe ich bei der Arbeiterkammer vier Jahre im Versandservice gearbeitet. Aber das war auch irgendwann eintönig.
Über den ÖATB und Jugend am Werk habe ich dann versucht, einen Job im ersten Arbeitsmarkt zu bekommen. Meine Betreuerin damals hat gesagt: Was willst du wirklich arbeiten? Und ich wollte schon immer mit Menschen, mit Kindern arbeiten. Ich habe dann Kindergartenassistent probiert, aber leider ist der Kindergarten, bei dem ich war, in Konkurs gegangen.
Im Dezember 2015 hatte ich dann mein Gespräch mit Elisabeth Sperl und so bin ich im Haus St. Elisabeth gelandet. Seit Oktober 2016 bin ich jetzt fest angestellt noch im Probemonat, aber als voller Mitarbeiter. Ich bin wirklich sehr froh darüber. Ich bekomme auch viel Unterstützung: Jugend am Werk begleitet mich mit einem Arbeitstraining."
Wie ist die Situation mit den Bewohnern? Wie reagieren sie auf Dich als Mitarbeiter im Rollstuhl?
"Am Anfang war es schwierig. Ich wusste nicht wie die Leute reagieren. Ich habe eher abgewartet und geschaut ob die Person auf mich zukommt, mir etwas erzählen möchte. Ich habe dann verschiedene Fragen ausprobiert, um in Kontakt zu kommen, zum Wetter usw.
Heute habe ich mich sehr lange mit Herrn Hammer (einem Bewohner) unterhalten. Es ist mir heute viel leichter gefallen. Er war früher Sänger, das hat mir Karin, meine Kollegin erzählt. Und ich habe es mir gemerkt. Dann habe ich ihn darauf angesprochen: Stimmt das, dass sie mal in einem Chor gesungen haben? Und dann hat er mir freudig etwas vorgesungen.
Natürlich können die Leute auch sehr fordernd sein. Aber heute hatte ich einen echten Erfolg. Ich habe fast eine Stunde mit Herrn Hammer geplaudert. Beim ersten Mal war er noch eher auf Reserve.
Am ersten Tag hat er mich gebeten, ihn im Rollstuhl hinauszuschieben. Da habe ich gesagt, dass das nicht geht. Und er meinte nur schroff: Ja, wieso können Sie das nicht? Und ich habe gesagt: Schauen Sie mich doch an! und auf meinen Rollstuhl gezeigt. Er hat gar nicht reagiert und ist einfach selbst gefahren.´(lacht)"
Welche wichtigen Fähigkeiten, denkst Du, braucht man für Deinen Job?
"Man muss auf Menschen eingehen können, sich langsam an sie herantasten. Und ein gewisses Interesse an der Person und ihrer Biografie ist wichtig.
Es ist sicher auch nicht schlecht, wenn man das eine oder andere Talent mitbringt. Ich spiele Klavier seit ich 15 bin. Einmal habe ich hier den Bewohnern den „Indianer“ vorgespielt, so nervös war ich noch nie beim Spielen!
Ich denke auch, dass es wichtig ist, Eigeninitiative zu zeigen. Ich werde im Dezember 29 und freue mich, was sich alles im letzten Jahr getan hat. Mein Betreuer hat gesagt, dass ich viel Engagement gezeigt habe. Es war mir wirklich wichtig, Motivation und Ehrgeiz zu zeigen im Praktikum, um mich als möglicher Mitarbeiter zu beweisen."
Welche Herausforderungen gibt es für Dich in deiner Arbeit?
"Mit den Stockwerken komme ich noch immer ein wenig durcheinander, weil auch die Wohnbereiche über mehrere Ebenen gehen. Die Orientierung also, wo bin ich, dass ist manchmal noch schwierig."
Wie war das im Erste Hilfe Kurs, Matthias?
"Ich hatte davor schon mal einen Erste Hilfe Kurs gemacht. Der Lehrer hat mich gesehen und war schwer beeindruckt: a) weil ich im Rollstuhl sitze und b) weil ich so ein großes Wissen habe. Ich habe schon einmal einem Paar geholfen, nachdem der Mann reglos am Boden lag. Ich habe die Rettung gerufen und bin so lange bei ihnen geblieben.
Ich kann auch physisch Erste Hilfe leisten. Mit Kraft kann ich mich auf den Boden bringen und etwa eine stabile Seitenlage herstellen. Das geht alles."
Und wie ist die Zusammenarbeit mit den Kollegen?
"Ich bekomme viel Unterstützung von meinen Kollegen und Kolleginnen, z.B. von Karin Riegelbauer. Mit ihr habe ich auch immer wieder Reflexion: Wie geht es mir? Möchte ich Änderungen vom Plan?
Am Anfang war mir noch unklar wo ich sein soll. Aber jetzt habe ich einen übersichtlichen Plan, wo nur die Uhrzeit drauf stehe und wann ich wo sein soll. Das hilft mir."
Wie gestaltet sich Dein Alltag, wie kommst Du in die Arbeit?
"Ich wohne in einer WG in der Linzerstraße, fahre mit dem Autobus 10A in die Arbeit. Ich kann, wenn ich muss, auch Treppe und Rolltreppe fahren."
Wir>Ich, was bedeutet das für Dich? Was bedeutet es für Dich, in der Caritas zu arbeiten?
"Für mich als Rollstuhlfahrer ist es schwierig, wo reinzukommen. Der Arbeitsbereich muss barrierefrei sein, ich muss mich im Rollstuhl frei bewegen können. Ich bin froh, dass das hier möglich ist."
Gibt es sonst noch etwas, was Du uns erzählen möchtest?
"Ich bin auch politisch aktiv. Man muss seinen Mut zusammen nehmen, und immer etwas weiter gehen. Wenn ich mein Ziel erreicht habe – was kann ich noch machen? Das Leben ist wie ein Faden, der immer weiter geht.
Mir gefällt der Spruch von Obama: Yes, we can! Ich sage: Ich probiere, was geht. Ich gebe nicht auf. Das einzige was man aufgibt, ist ein Brief. (lacht) Ich tanze auch gerne. Ich bin beim Verein „Ich bin okay!“ dabei. Wir haben immer wieder Vorführungen im Theater Akzent. Einmal haben wir den Zauberer von Oz gespielt, ich sollte den Blechmann spielen. Das ist traurige Rolle, denn der Blechmann hat ja kein Herz. Das konnte ich dann nicht, weil ich ein sehr fröhlicher Mensch bin. Also habe ich dann einen lachenden Blechmann gespielt.“