„Mein Gott, sind Sie neugierig“, sagt Anna Rupar und kichert dabei vergnügt. „Was Sie alles von mir wissen wollen!“ Naja, es ist halt spannend, wenn die bald 105-Jährige aus ihrem langen Leben erzählt!
„Wer singt, kann nicht streiten“
15 Geschwister waren sie, alle haben sich sehr geliebt, „und wenn wir einmal gestritten haben, hat uns der Vater singen lassen. Weil wer singt, kann nicht streiten.“ Klingt einleuchtend - das würde auch heutzutage noch gut funktionieren.Sehr streng, sehr katholisch, aber dennoch sehr liebevoll sind die Kinder aufgewachsen. Rupar kann sich gut daran erinnern, wie die Spanische Grippe um das Jahr 1920 auch in Österreich so viele dahingerafft hat. „Das war oft Thema in der Familie. Zum Glück ist keiner von uns daran erkrankt. Das wär ein Malheur gewesen. Damals waren Medizin und Wissenschaft ja überhaupt nicht zu vergleichen mit heute.“
„Es hat keiner mehr gepasst zum Heiraten“
Die Dame ist geistig topfit, tourt mit ihrem Rollator durch Haus und Garten, tratscht gerne mit den anderen Bewohnern. Auch vom Aussehen her ist sie jung geblieben. Als unser Fotograf ihr das sagt, kichert sie wieder. Was ihr Geheimnis ist? „Ich hab nie geheiratet, die Ehefrauen müssen sich ja so viel ärgern,“ scherzt sie. Verehrer hätte sie wohl gehabt, vor allem den feschen Karl, der wär’s für sie gewesen. Aber der hat in den Krieg ziehen müssen und ist gleich im ersten Jahr gefallen. „Danach hab ich alle mit ihm verglichen, und es hat keiner mehr gepasst zum Heiraten. Aber das Leben ist so und fertig.“Das sagt sie auch über Corona: „Damit müssen wir jetzt umgehen“. Wobei sie nur Sorge um jene Verwandten hätte, die in Amerika leben. Denn für die Seniorin selbst hätte sich im schönen Seniorenheim der Caritas in Hitzendorf gar nicht so viel geändert: „Meine Nichte kommt zu Besuch, da sitz ich in unserem Garten, und sie steht draußen auf der Straße. Außer dass wir keinen Kaffee trinken können zusammen, ist alles gleich wie vorher. Die machen es uns wirklich schön hier, wir haben eine Super-Chefin.“Damit meint sie die Leiterin des Hauses, Anita Freismuth-Jauschneg - und die hat sich dieses Lob wahrlich verdient. Eine „08/15-Betreuung“ ist ihre Sache nämlich ganz und gar nicht: „Die ältere Generation hat so viel für uns getan, da möchte ich, dass sie es jetzt schön hat!“ Und so gibt es ein tolles Angebot für die derzeit 48 Senioren im Heim.
Wie Romeo und Julia
Viele lieben das Garteln - sieben Hochbeete gibt es und damit auch genug zu tun. Es gibt Vorträge zu allen möglichen Themen, Kaffeekränzchen im Garten, es wird gemeinsam gekocht, die Bewohner können Hasen und Hühner betreuen, Handarbeiten. Derzeit besonders gefragt: online die Familie sehen. „Da helfen wir den Bewohnern, und das gefällt ihnen sehr!“, so Freismuth-Jauschneg. Wer es lieber „in echt“ hat, der bekommt in Zeiten des Corona-Besuchsverbotes einen richtigen Romeo- und Julia-Auftritt. Freismuth: „Der Bewohner steht am Balkon, die Verwandten drunter - und so lässt es sich herrlich plaudern.“ Nachsatz: „Und viel lachen!“Lachen scheint überhaupt das Lebenselixier in der Hitzendorfer Caritas-Einrichtung zu sein. Und dass nie jemand alleine sein muss - auch wenn jemand selbst keine eigene Familie hat, hat man eine: „Jeder unserer Schützlinge hat in einem Mitarbeiter seinen ,Lebensbegleiter’. Der ist Ansprechpartner, Helfer, Schulter zum Anlehnen.“
„Wir sind hier eine große Familie“
Dieser sorgt auch dafür, dass es individuelle Lösungen für alle Fragen gibt, sogar individuelle Geschenke. Solche wird Anna Rupar bekommen, wenn sie am 8. Mai ihren 105. Geburtstag feiert. Mit der Familie wird es nach Corona ein Fest geben. „Ich freu mich drauf! Aber auch auf die Feier im Seniorenheim. Denn wir sind hier eine große Familie.“
Verfasst von: Kronen Zeitung Steiermark