Ihre Oma gab ihr die Begeisterung für Musik mit. Heute lernt Michaela Vaught von SeniorInnen vergessene Volkslied-Strophen von Volksliedern. Die 41-Jährige unterrichtet Elementares Musizieren an der Bruckneruni und setzt einmal pro Woche im Seniorenwohnhaus Theorie in die Praxis um.
Wenn Michaela Vaught mit SeniorInnen musiziert, geht es um das Tun im Moment. Sie verteilt Musikinstrumente, motiviert zum Tango-Tanzen, rezitiert Heine-Gedichte und leitet Atemübungen an. Zwischendurch lässt sie einfließen, dass das soeben gehörte Blumenduett von Anna Netrebko und Elina Garanca stammt. Eine Stunde lang fordert sie die älteren Menschen im Linzer Seniorenwohnhaus St. Anna auf allen Ebenen – kognitiv wie sinnlich-emotional.
Seit sechs Jahren setzt sie das „Elementare Musizieren“ im Seniorenwohnhaus um. Hinter dem Begriff steckt ein einfacher Kern: In einer Mischung aus Bewegung, Stimm- und Instrument-Einsatz geht es um die Möglichkeit, ohne jegliche Voraussetzung miteinander zu musizieren. Das Gemeinschaftsgefühl, das dabei entsteht, ist nur einer der vielen positiven Aspekte der Musikrunde. „Beim gemeinsamen Singen entstehen ganz besondere Momente. Da verschwimmt die Grenze, wer die Stunde leitet und wer teilnimmt. Dann geht es nur ums Tun im Moment und darum, mit seinem ganzen Wesen in voller Inbrunst zu singen und zu musizieren“, erklärt sie. „Das sind die Sternstunden. Man singt gemeinsam, einfach weil es Freude bereitet und weil es möglich ist.“
Indem Michaela Vaught das Singen auch mit Atemübungen und Berührungen verknüpft, aktiviert sie die SeniorInnen mit allen Sinnen. Über die Jahre erlebt sie, wie die Muskelspannung besser wird, die SeniorInnen aufrechter sitzen – und eine Seniorin, die sich nur mehr wenig bewegen konnte, nach einem Jahr mit der Gruppe plötzlich mitklatscht.
Die Zeit mit den SeniorInnen sieht Vaught als Bereicherung. Nicht nur, weil ihr die Menschen so sehr ans Herz gewachsen sind, sondern auch, weil diese ihren Wissenschatz mit ihr teilen. Wenn Michaela Vaught ein Volkslied mit ihnen singt, kann es schon vorkommen, dass jemand eine Strophe aus dem Hut zaubert, die nur mehr im Gedächtnis der älteren Menschen gespeichert ist – und nirgends sonst. So hat Vaught vom „Petersbrünnele“ eine Strophe von einem Senioren gelernt. „Immer, wenn ich die Strophe singe, denke ich an Herrn Pils.“
So ist die Musikstunde ein Geben und Bekommen – und das sinnerfüllte Tun wird zum bereichernden Geschenk. „Mit den SeniorInnen zu musizieren erinnert mich daran, wie kostbar der Moment ist“, betont Vaught. „Und dass man Einfluss darauf hat, wie man seine Sekunden ausfüllt – zum Beispiel indem man jemandem etwas gibt.“